Eine Branche im Wandel
Gerade die zunehmende Marktmacht der Online-Versandapotheken wird die Apothekenlandschaft in den kommenden Jahren stark beeinflussen und wohl auch verändern. Bereits im Jahr 2000 startete die bekannte niederländische Versandapotheke DocMorris ihre Geschäftstätigkeit, viele andere international oder europaweit tätige Anbieter folgten. Denn durch den Siegeszug des Internets in vielen beruflichen und gesellschaftlichen Bereichen hat in zahlreichen Gebieten E-Commerce, also der Handel über Internet-Plattformen („Online-Bestellungen“) rasant zugenommen und das spüren auch die Apotheken, über die bis dato die Politik, meist mit dem Argument der Arzneimittel-Versorgung auch in ländlichen Bereichen, stets schützend ihre Hände gehalten hat. Das gilt allerdings meist nur für Anbieter aus dem Inland, ausländische Versandapotheken sind von nationalen Regelungen meist ausgenommen. Seit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) aus dem Jahr 2016 ist es Online-Anbietern gestattet, zusätzlich zu nicht-rezeptpflichtigen auch rezeptpflichtige Medikamente zu versenden. Die Konsumenten reagieren allerdings nur zögerlich auf diese Entscheidung. Wird im OTC-Segment gerne und auch häufiger online bestellt, so wird der Versand von verschreibungspflichtigen Arzneien kaum nachgefragt. Wirft man einen Blick nach Deutschland, wo im Gegensatz zu Österreich konkrete Zahlen vorliegen, so kann festgehalten werden, dass 40 % der Bevölkerung Bezug nehmend auf das Jahr 2016 Medikamente online erworben haben. Im OTC-Bereich kommen die Internet-Apotheken in Deutschland auf einen Umsatzanteil von 15 % – Tendenz stark steigend.
Preis ist Trumpf
Die Konsumenten zeigen sich verstärkt preissensibel und stellen Preise mehr noch als früher auf den Prüfstand. Da landet man schnell einmal bei günstigen Anbietern aus dem Internet. In Deutschland kaufen bereits 49 Prozent in der Gruppe der 35- bis 44-Jährigen Medikamente im Internet ein. Kritisch wird der Bestellvorgang im Internet nur, wenn Arzneien rasch benötigt werden bzw. es sich um das Einreichen eines Papierrezepts handelt. So überrascht es nicht, dass in Deutschland gerade einmal nur 1,3 Prozent aller ärztlich verschriebenen Medikamente online verkauft werden. Aus diesem Grund sprechen sich laut einer Umfrage 63 Prozent der Patienten für ein „digitales Rezept“ aus. Die Vorteile des elektronischen Rezepts benennen die Befragten mit der Umweltfreundlichkeit (52 Prozent), dem Wissensaustausch zwischen Arzt und Apotheker (34 Prozent), dem Komfort (23 Prozent) und der Therapiesicherheit (19 Prozent). Denkt man an E-Commerce, so ist man relativ rasch beim Versandhandelsriesen Amazon angelangt. Dieser stellt aktuell seine Plattform nur Drittanbietern im Medikamenten-Versand zur Verfügung, allerdings wird vielerorts erwartet, dass das Unternehmen bald selbst in den Online-Handel mit Arzneien einsteigt. Die Mehrzahl der dazu im Rahmen einer Aposcope-Umfrage interviewten Apotheker erwartet den Einstieg übrigens noch in diesem Jahr.
Ist die Beratung ausreichend?
Stationäre Apotheken müssen sich also gegenüber der Online-Konkurrenz behaupten und was liegt da näher, als mit guter Beratung zu punkten. Gerade in diesem Bereich hat der Verein für Konsumenteninformation (VKI) den Apotheken in Wien kürzlich ein nicht so gutes Zeugnis ausgestellt. Zwei Testpersonen wurden in 19 öffentliche Apotheken in Wien geschickt, wo sie vor Ort über Schlafstörungen klagten.
Nach dem Gespräch mit dem Apothekenpersonal erfassten die Tester Details zu konkreten Beratung, aber auch zur Kundenfrequenz und dem Personalstand in der jeweiligen Apotheke sowie dem Ambiente und der Sauberkeit im Raum.
Das Ergebnis fiel laut VKI „ernüchternd“ aus. Denn nur in wenigen Fällen sei nachgefragt worden, seit wann die Schlafstörungen bestehen, wie oft diese auftreten und ob bereits versucht wurde, etwas dagegen zu unternehmen. Lediglich in drei Apotheken seien die Testkunden entsprechend beraten worden, so der VKI. Im Nachgang nahmen elf Apotheken zu den Ergebnissen konkret Stellung. Neben dem Gelöbnis zur Besserung nahmen einige der Apotheken auch die Kunden in die Pflicht: So sei teilweise festgestellt worden, dass bei gut informiertem Stadtpublikum allzu viele Nachfragen, Ratschläge und Empfehlungen als penetrant empfunden würden und sich die Apotheken aus diesem Grund eine aktive Anfrage oder ein Ersuchen um Beratung von Seiten der Konsumenten wünschen würden.
Auch die Apothekerkammer Wien steht naturgemäß ihren Mitgliedern zur Seite. „Das Testergebnis steht auf sehr wackeligen Beinen“, kommentiert Philipp Saiko, Präsident der Apothekerkammer Wien, den VKI-Test. Kritik macht sich vor allem am „mangelhaften Fragenkatalog“ breit. Darin finden sich beispielweise Fragen nach der ausreichenden Verdunkelung des Schlafraumes oder ob der Betroffene ausreichend getrunken habe. „Diese Fragen wurden tatsächlich in den meisten Fällen nicht gestellt“, so Philipp Saiko, allerdings würden Fragen dieser Art „nicht der primären Expertise“ des Fachpersonals in den Apotheken entsprechen. Dass man dies den Apothekern anlasten würde, zeuge für ihn von einer „inhaltlich unprofessionellen Herangehensweise an die Problematik. „Damit wird ein ganzer Berufsstand zu Unrecht schlechtgeredet“, kritisiert der Präsident der Apothekerkammer Wien.